... und dann war da noch unsere FT 14, liebevoll "HighJack" genannt, weil sie ihre Aufgabe, der Needle Konkurrenz zu machen, nachdrücklich erfüllt. Wir gaben ihr ein Gen namens "Zukunkftsfaktor" mit auf den Weg, das sie bisher prächtig nutzte. Wer den großen Zwerg nachgebaut hat, wird kaum mehr jemals dem Fertigsegment verfallen, auch wenn ihm die äußerlich tollsten Gehäuse geboten werden. Die Chassis machen die Musik, die Optik obliegt der eigenen Hand. Wer die großartigen Aufbauten unserer Leser betrachtet, weiß sehr schnell die nahezu unglaubliche Vielfalt der kreativen Gestaltung zu schätzen, die Selbstbau bietet. Gelernte Tischler sind dabei selten unsere Helden gewesen, deren handwerkliches Geschick wir bewundern durften. Selbst in der Kategorie "Einsteiger" zeigte uns Natalie, dass es lohnt, auch hier eigene Ideen zu verwirklichen und so mehr aus einem rein Praxis orientierten Bauvorschlag zu machen als die einfach rechteckige Kiste. Dem wollen wir uns nun anschließen, nein, nicht mit einem neuen Gehäuseaufbau, sondern mit dem dritten Weg, der das schmale Hemd auf eine solide Basis stellt. Passend zur Chronologie nennen wir den Bauvorschlag natürlich FirstTime 15. Ihr Gehäuse ist jedoch nichts anderes als eine Praxis orientierte, einfach rechteckige Kiste.
Gesetzt waren also GDT 104 N und W 115-4, die Suche nach dem Partner dauerte etwa drei Sekunden. Im Lager wartete der W 218 in der Vierohm-Version schon lange auf seinen Einsatz und sprang freudestrahlend aus dem Regal als wir ihn endlich riefen. Seine leicht glänzend beschichtete Pappmembran mit inversem Staubschutz im einfachen Blechkorb passte nicht ganz zufällig zum Kompagnon, der in der FT 15 nur noch die Mitten wiedergeben sollte. Die Parameter verlangten nach Eingabe in LspCD nach 40 Litern Reflexvolumen, mit einem ungekürzten HP 70 sollten knapp unter 40 Hz bei halbierter Lautstärke herauskommen. Der W 115-4 brauchte für die beabsichtige Trennung bei 350 Hz eigentlich nur eine Milchtüte, trotzdem bekam er gute 10 Liter, weil die einfach übrig waren. Zudem versteifen seine Kammerwände die Seiten der Box, was auch nicht unerwünscht war. Für den Bau kauften wir 19 mm dicke Grobspanplatte, auch OSB genannt, weil die Zielgruppe für diese Einsteigerbox erfahrungsgemäß eher schnell hören als schön bauen möchte. Die fertige Oberfläche zum MDF-Preis ist dabei auch nicht außer Acht zu lassen. Schön machen kann man die Platten natürlich auch, wenn man sie schleift und vor dem Ölauftrag in beliebiger Farbe beizt. Bei einer FirstTime-Box ist das bündige Versenken der Chassis ein schöner Test für spätere Arbeiten für die Bluesklasse, für eine Quickly hätten wir diesen Zeitaufwand nicht betrieben.
Wichtiger als jede wissenschaftliche Erläuterung der physikalischen Umstände, denen sich ein Lautsprecher beugen muss, ist bei Boxen for beginners der handwerkliche Teil der Übung. Deshalb haben wir das Verkleben der acht Bretter wieder fotografiert und stellen es der Nachwelt hiermit wieder einmal ins öffentliche Internetz. Für den Fall, dass es nicht bekannt ist, noch der Hinweis, dass wir zum Kleben Fugenleim verwenden und statt Schraubzwingen Zurrgurte unser Druckmittel sind.
Nun fehlt nur noch der Bauplan, den wir natürlich auch wieder als Sketchup-Datei zum Download bereitstellen.
Nach Schleifen der Oberflächen waren alle Leimreste beseitigt, Dabei half mein Excenterschleifer mit grobem Papier. Beizen und Ölen habe ich mir gespart, immerhin will ich nicht meine Lackierkünste zur Schau stellen. Als Nachteil meiner Faulheit könnte sich ein Helfer einen Span in die Finger ziehen, wenn er mir hilft, die Kisten am Samstag beim Event in den Hörraum zu tragen. Also lasst zur eigenen Sicherheit Vorsicht walten.
Im Messraum ging es weiter, die Weiche wollte entworfen werden. Um dem Anlass gerecht zu werden, habe ich auf jede Art von Aufwand verzichtet und ausschließlich preislich angemessenen Bauteile verwendet. Auch schaltungstechnisch wurde nicht versucht, jede kleinste Unstimmigkeit zu beseitigen. Angemerkt sei dennoch, dass sie sich trotz Einfachweiche in sehr engen, für einen Einsteigerbausatz ehrenwerten Grenzen halten. Die Messdiagramme hätten auch einem teuren Lautsprecher gut zu Gesicht gestanden. Zuerst einmal die Vorher - Nachher-Schriebe für Bass, Mittelton und Hochton, sowie natürlich die Zweig-Summenkurve mit Schaltplan.
Fehlen aus der Entwicklungsabteilung nur noch die Messdiagramme.
Obere Reihe: Amplitude, Impedanz, Klirr für 90 dB
Untere Reihe: Frequenzgang 0, 30, 60 Grad, Sprungantwort, Wasserfall
Als alles gemessen und für gut befunden war, mussten die Innereien in den Boxen verstaut werden. Weil auch das immer wieder Fragen aufwirft, gibt es wieder ein paar Bilder, die wahrschenlich mehr sagen als Worte, die man lesen muss. Die Weiche baute ich in gewohnter Manier auf einem Holzbrett auf, den Bassteil lagerte ich auf das Terminal aus. Vier Beutel Sonofil füllen die gesamte Box, der Bereich um das Reflexrohr bleibt frei. Zum Glück muss ich für das Schreiben dieses Satzes nicht jedesmal 5 Euro in eine Phrasenkasse einzahlen, ich wär schon längst ein armer Mann. Die häufigen Fragen nach der Füllmenge zeigen jedoch, dass er kein einziges Mal zu oft geschrieben wurde.
Der Pluspol des Hochtöners ist mit roter Farbe markiert. Beim Anlöten ist es sinnvoll, zuerst das Kabel und die Anschlussfahne zu verzinnen und dann beide gemeinsam nur so lange zu erhitzen, bis das Lötzinn ineinander geflossen ist. Nicht zu früh am Kabel wackeln, damit das Fähnchen sich nicht vom Kunststoff-Untergrund löst. Beim Mitteltöner und Bass ist das breite Fähnchen der Pluspol. Vor dem Anschrauben der Chassis sollte das Vorbohren nicht vergessen werden.
Nun wünsche ich viel Spaß beim Nachbau und stellt schöne Bilder in die Galerie. Oder war da noch was, das ich vergessen habe? Achso, die Klangbeschreibung. Na gut:"Klingt für ihren Preis hervorragend" wird nun niemanden sofort zum Bestellen animieren. Dann schreib ich halt noch ein paar Sätze mehr.
Im Hörraum schloss ich die FirstTime 15 an meinen Verstärker ein und legte eine CD in den Player. "Der lügt!" hör ich es jetzt laut schallen. Stimmt! muss ich gestehen. Schülzken hat es kürzlich erst geschrieben, ich bin ja längst in der modernen Welt angekommen und steuere mene Musik per Tablet, wozu ich nicht einmal mehr den Rat des Arztes oder Apothekers einholen muss. Mediamonkey liest den Inhalt meiner Musikfestplatte, die Remotesteuerung lässt mich entspannt auf meinem (ja, das ist noch alt) Sofa ruhen. Soll es was von Mozart sein?, Den Komponisten eingetippt und schon habe ich eine recht lange Liste mit verschiedenen Titel auf dem Display. Ich entscheide mich für "Ein Mädchen oder Weibchen" aus der Zauberflöte, vorgetragen von Herrmann Prey, obwohl es sicher nicht das passende Stück Musik für die Zielgruppe meiner neuesten Erfindung ist. Über die Tascam-Soundkarte geht das Signal an meinen gut 30 Jahre alten Luxman L-215, meine Röhre halte ich nicht für wirklich angebracht für den heutigen Boxentest. Die musikhörende Jugend könnte aber durchaus Abgelegtes im Stil des betagten, aber guten Stereo-Transistors von Vater oder Opa übernommen haben, wodurch mein Test durchaus Praxis relevant sein dürfte. Nun, da steht der Herrmann groß und mit geschwellter Brust auf der Bühne, das Glockenspiel hat eindeutig Metallplättchen, die von einem kleinen Klöppel zum Schwingen angeregt werden. So weit, so gut, es geht aber eher um die Töne, die von Menschen gehört werden, die grob ein halbes Jahrhundert weniger in den Knochen haben als ich. Was die hören, habe ich nicht auf meiner Festplatte, aber es gibt doch youtube. Also schnell mal ins Internet und ohne zu wissen, was ich suche, fand ich "Muse live at Rockwerchter Festival" Technisch werde ich nicht die beste Qualität bekommen haben, doch die Bassdrum war gut vom E-Bass zu unterscheiden, die Gitarre marschierte und der Sänger war verständlich. Deutlich wahrnehmbar war der starke Komprimierungsgrad der Aufnahme, den kann man der FT 15 nicht anlasten. Zu Gute halten darf man ihr jedoch, dass sie Tina Turners "Proud Mary" vom Livekonzert 2009 derart mitreißend zelebrierte, dass meine alten Füße sofort zm Wippen gezwungen waren, wozu auch der wackelnde Kopf und die Schenkel klatschnden Hände seinen Teil beitrugen. Leise war die Darbietung nicht, das rief auch meine Frau in die heiligen Hallen. Nicht mehr so sportlich wie früher war der olle Rock and Roll, den wir nach drei Minuten wegen akuten Luftmangels abbrechen mussten. Naja, früher war alles besser, könnte man jetzt vermuten, aber es ist nicht meine Art, mit Wehmut rückwärs zu blicken. " Wir hatten Paris" sagte Humphrie Bogart einst zu Frau Bergmann in Casablanca.
Kommen wir abschließemd noch einmal auf den Zukunftsfaktor der FT 14 zurück. Futur will erreichbare Ziele haben, die anderen nennt man zu Recht Utopia. Mit der FT 15 haben wir schon einen nicht zu weit entfernten Meilenstein gesetzt, das Aufrüsten oder auch der Neueinstieg sind sicher ein lohnendes Ziel. Der dafür nötige Geldeinsatz verlängert dabei keinesfalls ungebührlich den Weg zur Bluesklasse, die nach positiver Bauerfahrung nicht mehr für alle Zeit im Reich der unerfüllten Träume verweilen wird.
Technik:
Chassis | Gradient GDT 104 N | Holzliste in 19 mm MDF |
Gradient W 115-4 | oder Grobspan pro Box in mm: | |
Gradient W218-4 | ||
1000 x 246 (4x) Front, Rückwand, Seiten | ||
208 x 246 (3x) Deckel, Boden, Kammer | ||
Vertrieb | Intertechnik, Kerpen | 208 x 130 (1x) Kammer unten |
Frästiefen: | ||
Funktionsprinzip | Bassreflex | HT: 3 mm |
Nennimpedanz | 4 Ohm | MT: 4 mm |
Bass: 4 mm | ||
Terminal | T 104 LC | |
Dämmstoff | 5 Beutel Sonofil | Bausatzpreis: 130 Euro |
Reflexrohr | HP 70 ungekürzt | Upgrade von FT 14: 80 Euro |